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Von Stornoway nach Durness
31. Juli bis 1. August 2024
Tag der Weiterreise im Heb Hostel in Stornoway. Obwohl sich Hubert vier Stunden vor mir schlafen legt treffe ich ihn beim Frühstück. Mit viel Geduld erfahren, dass er mit seinem Auto in drei langen Etappen aus dem Mühlviertel hergefahren ist. Fliegen mag er nicht, mit den Öffis dauerts zu lang, was?
Die Fähre zurück ans Festland nach Ullapool geht erst um zwei. Nach dem Frühstück nochmal ins Wohnzimmer an den Laptop setzen. Um eins zu Camerons Chip Shop an der Point Street ums Eck. Medium Chips mit Gravy, letscherte Pommes und eingedickte Bratensoße. Ein Plakat am Tresen bewirbt das Weekly Special, diese Woche: Battered Oreos.
Grauer Himmel, Wind und Nieselregen. Am Fährenterminal zu den anderen Radlnden stellen. Auf den Äußeren Hebriden trifft man einige, der Hebridean Way führt 300 km vom südlichen zum nördlichen Zipfel der Inseln.
Die Check-in-Deadline am Ticket wie immer eine Lüge. Fast drei Stunden Fahrt nach Ullapool. Spürbarer Seegang, der Laptopbildschirm macht flau im Magen. Menschen beobachten, im TV an der Wand laufen die Olympischen Spiele.
In Ullapool Proviant besorgen im riesigen Tesco Superstore. Losradln auf der A835 immer Richtung Norden, leere bergige Landschaften. Die dichten Wolken schaffen trostlose Dunkelheit und verkünden Regen der nicht eintritt. Kreischen von der trockenen Kette, anhalten und das Öl auspacken. Nach drei Gliedern aufgeben, die Midges zu blutrünstig.
Die A835 recht stark befahren, die Straße ist Teil der North Coast 500 Route. 500 Meilen motorisierte Genusstour entlang der schottischen Nordwestküste.
Im Sonnenuntergang die letzten Kilometer zur Inchnadamph Lodge. Riesige Schwärme von Midges über dem Moor entlang der Straße. Der Fahrtwind treibt sie zu Dutzenden in Hemdkragen, Ärmel und Helmschlitze. Angekommen am Hostel fuchtelnd das Radl parken und ins Haus stürmen.
Die Midges drängen durch alle Ritzen ins Innere. Das Hostel voller Menschen in Wanderschuhen. Eine ältere Deutsche in meinem Zimmer ist allein am Weg zum Cape Wrath und will nicht einstimmen in mein Jammern über Midges und tristes Wetter. Hudlig das Stockbett selber beziehen und in der Industrieküche ein Instant-Curry aufwärmen. Schlapp in einen Ohrensessel in der gemütlichen Stube sinken. Die Midges zuzeln an der nackten Haut zwischen Wollsocken und Hose.
Am Frühstückstisch zu der älteren Deutschen setzen. Eine wirklich sehr alte Engländerin setzt sich dazu, auch sie wandert noch zum Cape Wrath, dem nordwestlichsten Zipfel Großbritanniens.
Der letzte Radltag. Raus in den stürmischen Wind, der Himmel grau. Ein letztes Mal Kette ölen und abziehen, die Midges weit verweht. Mit ohrenbetäubendem Seitenwind durch die endlosen unwirtlichen Landschaften. Dem Loch Assynt entlang, am Ende einer Landzunge die Ruine des Ardvreck Castle. Gute 70 km nach Durness.
5 km hoch auf etwa 250 Meter. Weiter Blick auf die sich ausladend den Hang runterschlängelnde Straße. Einige sonnige Flecken erhellen die sonst düstere Landschaft.
10 km weiter die Kylesku Bridge über das Loch a’ Chàirn Bhàin. Die v-förmigen Pfeiler der modernen Brücke ausgelegt für Windspitzen bis 160 km/h. Heute die Böen nur halb so stark.
Die Straße voller Campervans, Stau am Parkplatz etwas oberhalb der Brücke. Dem Zirkus den Rücken zukehrend auf einer Steinmauer sitzen und Cracker futtern.
Gute 10 km weiter nach Scourie. Kurz vorm Ort direkt an der Straße eine kleine Herde Highlands.
Beim Spar in Scourie aus dem Wind kommen. Egg and Cress Sandwich und ein wässriger Kaffee im Pappbecher. Noch 40 km nach Durness, Hügel rauf, Hügel runter.
Nach dem winzigen Rhiconich die A838 nur mehr einspurig mit Passing Places. 150 Höhenmeter hoch, der letzte Anstieg. Mit grandioser Aussicht durch ein weites Tal sanft bergab bis zum Kyle of Durness.
Die Hügel flachen ab, ein paar Sonnenstrahlen glitzern im Wasser. Über den Fjord führt eine Fähre ans andere Ufer und eine Straße 20 km durch eine riesige Firing Range zum Cape Wrath. Während der Feriensaison wirft die NATO keine Bomben ab, das Gebiet trotzdem absolute Pampa. Auslassen und auf der A838 nach Durness bleiben.
Ein in der Saison belebtes Kaff, durch das Tourigewusel runter zum Strand. Das wars, viereinhalb Monate und 5.000 km im Sattel. Ich glaub es reicht jetzt. Dankbar, dass das Radl noch durchgehalten hat.
500 Meter weiter das Durness Youth Hostel. Zwei Holzbaracken, im Hof dazwischen schwärmen die Midges. Der Warden ein sympathischer Mann mit Pferdeschwanz und Schnauzer, er kommt bekannt vor. Vor mir ein italienisches Ehepaar mit Tochter, nur der Ehemann checkt ein. Die Überraschung, dass das Bett in einem Schlafsaal ist lassen sie sich nicht anmerken.
Wohnzimmer und Küche netter als die Baracke von außen vermuten lässt. Nach ausgiebiger Dusche ins Sofa sinken und die Heimreise planen. Es klickt endlich, der Mann mit Pferdeschwanz erinnert an einen Warden in einem YHA entlang dem Pennine Way 2018. Ich frage ihn und tatsächlich, 2018 ist er Warden im YHA Langdon Beck wo ich vor sechs Jahren übernachte.
Im letzten Tageslicht die Straße runterspazieren zur Smoo Cave. Ein steiler Weg führt runter zu einem Kiesstrand am Ende eines engen Fjords. Dahinter die ausgetretene Karsthöhle.
Zurück den Umweg über verlassene Feldwege entlang der Klippen. Blick auf das dramatische Sango Bay vor Durness. Dichte Wolken verdecken den Sonnenuntergang, sanft violettes Licht scheint durch. Auf einen Felsen setzen, weit unten krachen die Wellen. Eine Weile Gradausschauen und die Reise gedanklich abschließen.