Knacks
Von Fort William nach Portree
24. bis 27. Juli 2024
Noch ein sonniger Tag. Die 20 km von Fort William bis Glenfinnan schon am Weg her geradlt, dieses Mal den Zug nehmen. Das Radl aus der Bike Shed des Youth Hostel holen und in der Wiese vor der Terrasse den verschlissenen Hinterreifen abnehmen. Der neue passt nicht, zu groß für die Felge.
Kurz schimpfen und den alten Reifen wieder aufziehen. Vom Aufpumpen verschwitzt den neuen Reifen zu einem Achter winden und unter den Taschenriemen klemmen. Losradln nach Fort William. Der Radladen nimmt den Reifen zurück, die verplemperte Zeit dahin. Immer mitdenken.
Am Bahnhof von Fort William Gedränge. Das Onlineticket abholen, der Zug wird voll sein meint die Dame am Schalter. Mit der Isomatte auf den Bahnsteig setzen, ein paar einsame Midges knabbern an den Wadln.
Der Zug kommt mit etwas Verspätung. Gedränge um die Waggons, die Schaffnerin sichtlich gestresst. Das Rad an die Wandhaken hängen, das Hinterrad muss oben hin, warum?
Schließlich der Schreckmoment, um mehrere Speichenbohrungen tiefe Risse in der Hinterradfelge.
Das Ticket kommt mit Sitzplatzreservierung aber für die halbe Stunde Fahrt wenig Lust auf den Weg durch die bummvollen Waggons. Der Zug geht bis Mallaig von wo aus Fähren auf die Isle of Skye gehen. Die wenigsten fahren mit den Öffis nach Skye und ansonsten gibt es auf der Strecke keine Anschlüsse. Wo wollt ihr alle hin? Auf den letzten Kilometern vor Glenfinnan die Auflösung, wir rollen über das Glenfinnan Viaduct, ich bin im Hogwarts Express.
Das 1898 fertiggestellte Viadukt führt über 21 Bögen in 30 Metern Höhe über den River Finnan. Purer Beton ohne Stahlverstärkungen.
Kaum wer steigt in Glenfinnan aus. Auf der A830 sind’s 40 km nach Mallaig. Erträglicher Verkehr und wunderbare Berglandschaft. Nach einigen zu engen Überholmanövern in der Mitte der Spur radln. Nach guten 10 km Pause am westlichen Ende des Loch Eilt.
Auffallend viele Touris kommen vorbei und alle fotografieren die unscheinbare kleine Insel im See. Ein junger Franzose erklärt mir in gebrochenem Englisch, dass diese Insel als Dumbledor’s Grave im letzten Harry Potter Film vorkommt. The Jacobite rattert vorbei und pfeift. Während der Sommermonate fährt die Dampflock einmal am Tag von Fort William nach Mallaig und wieder zurück.
Weiter nach Lochailort. Noch ein Viadukt, das Meer durchsetzt von Schären.
Die Straße führt weg von der Küste und bergauf. 15 km unspektakulär bis Morar. Endloser Sandstrand, der River Morar, ein dünnes Rinnsal, die Verbindung zwischen Meer und dem riesigen Loch Morar. Spaziergänger:innen schwarze Punkte im Sand, eine Gruppe reitet zu Pferd.
Die letzten Kilometer zum Fährhafen von Mallaig. Am Kai auf die Isomatte setzen und zuschauen wie die Autokolonne wächst. Eine halbe Stunde nach Armadale auf Sleat, einer Halbinsel im Süden der Isle of Skye. Die motorisierten Urlauber:innen davondüsen lassen und auf den gähnend leeren Straßen losradln.
Ein Stück auf der A851 die Küste entlang dann abbiegen auf eine einspurige Straße ins Hinterland. Durch unberührtes Hochmoor 150 Höhenmeter bergauf. Stoische Blicke einiger verstreuter Schafe und Rinder, Menschenleere. Ein Auto überholt an einem der vielen Passing Places. Wenige Minuten später wieder aufholen, drei Rinder stehen starr auf der Straße. Die Fahrerin wartet geduldig ohne zu Hupen bis die Rinder gemächlich den Weg freimachen.
Am höchsten Punkt Blick auf das Loch Dhùghhaill, eingebettet in die Hochmoorlandschaft. Die bläuliche Silhouette der Cuillin Hills am Horizont. Ganz links der Sgùrr Alasdair, mit 992 Metern die höchste Erhebung der Isle of Skye. Ein Rennradler unterbricht die Einsamkeit und zischt aber bald weiter die Straße runter. Langsam nachrollen, das angeknackste Hinterrad schonen.
Einige wenige verstreute Häuser in Achnacloich. Hinterm Strand stehen schon zwei Campervans. 2003 verabschiedet das schottische Parlament den Land Reform (Scotland) Act der jeder und jedem erlaubt privates wie öffentliches Land für Freizeitaktivitäten wie Wandern, Radfahren aber auch Camping zu nutzen. Nicht darunter fallen Gärten, Äcker und motorisierte Aktivitäten. Die Campervans hier also nur toleriert. Als Radler aber das Zelt mit gutem Recht hinterm Strand aufbauen. Ein geschütztes Platzerl zwischen zwei Felsen, die leichte Brise hält die Midges in Schach.
Am Morgen die Sonne hinter einer dicken Wolkendecke. Der Wind ist weg, die Midges zurück. Hügelig steil dem Loch Eishort entlang, am Horizont immer die Cuillin Hills.
Bei der Mündung des Ord River wieder ins Hinterland und zurück an die Südostküste der Halbinsel Sleat. Die A851 auch am Vormittag ruhig. 15 km auf der breiten Straße durch endlose Moorlandschaft. Der Achter im Hinterrad spürbar bei jeder Umdrehung.
In Broadford mündet die Straße in die A87, die Hauptverkehrsader durch Skye. Kolonnenverkehr, es beginnt zu regnen. In den Co-op flüchten, eine Mitarbeiterin fängt am Eingang ab heute keine Kartenzahlung.
Mit Cheese and Pickle Sandwich und zwei Crispy Caramel Doughnuts im Nieselregen am Bankerl vorm Co-op. In einem Café ein Stück die Straße hoch den Regen aussitzen. 15 km unfein aber mit grandiosen Ausblicken auf der A87.
Immer wieder zu enge Überholmanöver. In der Spurmitte radln um die Drängler:innen zum Warten auf eine freie Gegenspur zu zwingen. Keine Huper.
Kurz vorm Abbiegen auf die aufgelassene Moll Road der Wascher. Road closed steht fett auf roten Schildern. Dank Leos Tipp weiß ich, dass man am Radl sehr wohl durchkommt. Ein ordentlicher Umweg aber abseits der A87.
Ein Hangrutsch ist der Grund für die Sperrung. Anstelle der Straße ein riesiges klaffendes Loch. Ein ausgetretener Pfad schlängelt sich knapp vorbei.
Wetterbesserung, sogar einige Sonnenstrahlen. Eine frisch asphaltierte Straße erschließt die winzige Ortschaft Moll, im Meer große kreisrunde Fischzuchtanlagen. Blick auf den mächtigen Sgurr Mhairi. Es fallen wieder Tropfen.
Zurück auf der A87 wieder intensiver Regen. 100 Höhenmeter hoch zum Varragill River dann zehn Kilometer den Fluss entlang zur Mündung kurz vor Portree. Das Youth Hostel in Portree etwas in die Jahre gekommen aber die Warden besonders sympathisch. Gratis Wäsche waschen und trocknen.
Am fortgeschrittenen Abend leert sich die Lounge. Zwei junge Frauen sitzen noch am Tisch und sprechen eine unbekannte Sprache. Eine fragt mich wo sie hier Wäsche waschen können. Richtig raten, die beiden sprechen Hebräisch. Alex und Ravel kommen aus Israel und reisen eine Woche durch Schottland. Aus Sorge vor Anfeindungen geben sie sich normalerweise als Griechinnen aus. Bis spät Nachts tippen.
Der Wetterbericht hält, am nächsten Morgen regnerisch. Als letzter aufstehen. Rest day im Hostel, den ganzen Tag in der Lounge herumlungern. Ein Gast aus Afrika macht das gleiche und führt währenddessen ein fünfstündiges Telefonat. Den ganzen Tag Regen.
Am Abend füllt sich die Lounge mit neuen Gästen. Ravel und Alex kommen zurück von ihrem Tagesausflug. Nach dem Abendessen gemeinsam in die The Isles Inn. Zwei alte Knacker singen mit rauer Stimme und spielen Akustikgitarre und Bass.
Alex wird um Mitternacht 21. Mit den beiden im finsteren Portree herumspazieren und eine Weile am ausgestorbenen Hafenkai sitzen. Zurück ins Hostel und bis spät in der Lounge plaudern. Reinfallen auf die Frage How often do you think about the Roman Empire.
Niemand schnarcht.