Côf a lithr, llythyrau a geidw
… ist ein walisisches Sprichwort das soviel bedeutet wie ‘Erinnerungen verblassen, Geschriebenes bleibt’. Wie passend!
Von Bristol nach Blaenavon
23. und 24. Juni 2024
Abfahrt in Bristol, der Gastgeber bittet zum xten Mal um ein gutes Review, na gut. Nur mehr ein kurzes Stück durch die äußersten Bezirke von Bristol, der Vorteil einer peripheren Unterkunft. Unter dem Motorway 5 durch und schon wieder im Grünen.
Von weitem schon der Blick auf die weißen Türme der Severn Bridge. Der River Severn ist der längste Fluss des Vereinigten Königreichs und wie der Avon nahe der Mündung in den Bristol Channel tidenabhängig.
An der Brückenmitte stehen bleiben und zur 5 km entfernten parallel verlaufenden Prince of Wales Bridge schauen. Sie ist den Kfz vorbehalten.
Am Ende der Brücke beginnt Wales bzw. Cymru. Kein Willkommensschild, nur ein riesiger zweisprachiger Autobahnwegweiser. Das Walisische ist eine der vier noch lebendigen keltischen Sprachen, 20-30 % der Menschen hier sprechen es, Tendenz steigend.
Mittagspause in Chepstow, der erste Ort direkt hinter der Grenze. Auf dem Tischerl vor einem Lokal an der High Street eine randvolle Tasse wässrigen Kaffee teilen. Der Himmel lichtet sich, das vergessene Gefühl der warmen Sonne auf den Gliedern. Einschmieren vorm Weiterradln.
20 km auf schmalen Heckengassen durch hügeliges Farmland. Zwei Radtouris aus Hamburg überholen uns. In Nordspanien entlang des Camino stiehlt man ihnen die gesamte Ausrüstung inklusive Räder. 2 Wochen später radln sie nochmal von zu Hause los Richtung Schottland. Angeblich fahren sie hauptsächlich auf Schotterwegen, Respekt.
Snackpause auf einer Parkbank in Usk und nochmal 10 km sanft bergauf. Beginn des Nationalparkgebiets der Bannau Brycheiniog. Bannau bedeutet im Walisischen Gipfel, Brycheiniog der Name eines frühmittelalterlichen Königreichs der Gegend. Im Englischen tauft man die Bergkette Brecon Beacons.
Über einen Ausläufer der Beacons nach Blaenavon. Schweißgebadet die sausteilen Rampen hochschieben. Der Schweiß zieht die Stechfliegen an, nicht stehen bleiben und noch mehr schwitzen.
Oben eine weite Kuppe mit Blick auf den Mynydd Farteg Fawr, ein weiterer Ausläufer der Beacons. Von Schafen neugierig beäugt den Schweiß trocknen lassen und nach Blaenavon runterrollen.
Übernachten auf der Allgood Farm bei Kani und Paddy.
Die beiden sind in etwa so alt wie wir, haben in London studiert und arbeiten remote im ländlichen Wales auf einer wunderschönen renovierten Farm mit Steinmauern.
Auch um das Grundstück herum meterhohe alte Steinmauern.
Drinnen zwischen dem hohen Gras eine alte Scheune, ein Tischtennistisch und einige Big Bags voll Zement.
Für mehr Gesellschaft in dem kleinen Blaenavon beherbergen sie via Warmshowers Radtouris.
Diesmal sind wir die Glücklichen.
Am nächsten Vormittag zum Big Pit. Die Kohlemine ist von 1880 über 100 Jahre lang in Betrieb. In den besten Jahren werden jährlich über 250.000 Tonnen Kohle gefördert. Heute ein Museum und UNESCO Weltkulturerbe, der Eintritt frei.
Highlight im Big Pit die Tour durch die Minenschächte. Ein dickes Stahlseil führt aus dem Winding House über eine riesige Spule zu einer beengenden Gitterkabine. Unter gespenstischem Kreischen führt der Aufzug 90 Meter in die Tiefe.
Trotz Museum gelten die Schächte rechtlich noch als Mine. Unser Tourguide ist ein ehemaliger Kohleminenarbeiter, ein Collier. Beim Aufzug verteilt er Helme, Lampen und Masken mit Kohlenmonoxid-Katalysator. Alle Habseligkeiten mit Batterie werden eingesammelt.
Eine gute Stunde gebückt durch die feucht rutschigen Schächte laufen. An den Wänden pechschwarz glänzende Kohleadern und gigantische Schimmelpilzgebilde. Dicke verfaulte Baumstämme und rostige Stahlträger stützen die stockfinsteren Gänge. Die Vorstellung, dass hier Achtjährige mit einer Kerze ausgestattet arbeiteten und Pferde für Jahre ohne Unterbrechung unter Tage lebten.
Wieder im Tageslicht auf ein Sandwich und eine Tasse Tee ins Museumscafé. Durch die restlichen Gebäude schlendern.
Am Abend für Kani und Paddy Lasagne kochen. Mit Anfängerglück bei Ticket to Ride gewinnen und bis spätabends diskutieren. Zum ersten Mal auf der Reise wie daheim fühlen.