Abschied
… fällt so schwer.
Von Port Eynon nach Pembroke
28. Juni bis 2. Juli 2024
Es bläst immer noch lebhafter Westwind, der Himmel bleigrau. Wieder ohne große Aussicht zwischen Hedgerows quer durch die Gower-Halbinsel nach Penclawdd. Um aus dem Wind zu kommen in einem Lokal einen Tee teilen.
Nach der Brücke über den River Loughor auf den Radweg wechseln und den weiten Ästuar des Loughor entlangschlängeln. Kurz vor Llanelli wieder auf die Straße wechseln und zum Pemberton Retail Park radln. Stellung beziehen im Burger King, Kathi mit dem angeschlagenen Flitzer zum riesigen Halfords. Die Kette verkauft Auto- und Fahrradteile und bietet auch Reparaturen an. Wieder kein Glück, ohne gebuchten Zeitslot kein Drankommen.
Noch eine Weile im Burger King herumlungern dann durch die Vororte von Llanelli zurück zum Radweg am Loughor. Vorbei am Llanelli Beach, endlose von der Ebbe freigelegte Sandflächen.
Stopp beim Co-op in Burry Port und weiter nach Pembrey. Beim Littlewood Campingplatz ist abgesehen von einem Pferd, einem Pony und einem Esel niemand. Weiter auf der Straße durch die die Kiefernwälder des Pembrey Country Park. Im ersten Caravan Park sind Zelte nicht willkommen.
Am nächsten Platz 500 Meter weiter schon. Eine Frau im Golfkart leitet uns durch die endlosen Gassen an Familienzelten zu unserem Pitch. Eingepfercht zwischen Auto der linken und Zelt der rechten Nachbarn. Große aggressive Stechmücken.
Eine Viertelstunde ins kleine Pembrey zurückradln auf ein Abendessen in das indische Restaurant des Ortes. Kitschiges indisches Dekor aber gutes Essen. Nach dem Essen in eine Decke gewickelt in der kalten Louge sitzen um nicht gleich ins Zelt zurück zu müssen. Die dicke Empfangsdame findet das lieb und spendiert Tee und Kekse.
Am nächsten Tag flaut der Wind endlich ab, der Himmel immer noch bedeckt. Die Dame im Campingshop scheint frisch eingestellt und kassiert nur 11 £ für die Nacht, zu günstig.
3 km zurück radln nach Burry Port. Ein Packerl voller Ersatzteile liegt bei Rob für mich zur Abholung bereit. Zwei neue Ketten, neue Silikonabdeckungen für die Schalthebel und Flicken für die gerissene Zelthaut. Er und seine Frau Regula beherbergen Tourenradler:innen via Warmshowers. Wir holen nur das Packerl ab und trinken eine Tasse Tee im gemütlichen Wohnzimmer. Ausführliches Briefing zu Radrouten für die nächsten Tage.
Eine gute Stunde die Küste entlang bis nach Ferryside. Der Name treffend, von hier die Fährverbindung über die breite Mündung des River Towy nach Llansteffan. Eine Dame in Warnweste mit einem beigen Pudel an der Leine steht am Parkplatz hinterm Strand. Wie sie uns sieht fragt sie gleich ob wir übersetzen wollen und spricht ins Funkgerät. Eine der letzten Überfahrten heute, dann ist der Wasserstand zu niedrig.
5 £ pro Radler:in. Wenige Minuten später landet ein kleines Motorboot am Strand. An Bug und Heck zwei Gelenkarme mit grob profilierten Rädern. Zwei ältere Matrosen verladen unsere Räder, einer groß mit Vollbart, der andere klein mit Schnauzer und Zwicker. Mit Vollgas einen guten Kilometer übers Wasser, die Gischt spritzt und die Räder vibrieren wie wir in kleinen Sprüngen übers Wasser fetzen.
Über dem Strand von Llansteffan ragt die Ruine des Llansteffan Castle aus dem Wald. Am Strand reger Betrieb um eine Imbissbude. Ein junger Engländer in Raddress ruft that’s a lot of weight to push through the sand!. Die Gruppe Burschen ist mit Rennradln unterwegs und fragt uns zur Tour aus.
Hinterm Strand ein bummvoller Parkplatz. Auf der Wiesenhang dahinter sitzen Menschen auf Campingstühlen vor einer kleinen Festbühne. Eine Band covert Have you ever see the rain.
Etwas abseits vor einer Parkbank das Rad auf den Kopf stellen und endlich die gelängte Kette tauschen. Ein älterer Herr schleicht heran und ich erschrecke leicht wie er mich plötzlich leise fragt wie viele Ersatzteile wir mitführen. Bald mischt sich seine Frau ins Gespräch ein und erzählt alles mögliche während er immer wieder technische Fragen zum Fahrrad einwirft. Auf jede Antwort angestrengtes Stirnrunzeln.
Nach getaner Arbeit in den netten Garten eines kleinen Tearoom hinterm Parkplatz setzen. Bei einer Tasse Kaffee Musik von der Wiese her lauschen, inzwischen singt ein Chor Volkslieder. Wie die Kellnerin mit einem Bekannten spricht zum ersten Mal Walisisch hören. Eine schöne Sprache.
Es ist kurz nach vier, endlich richtig losradln. Wie immer hügelig auf Heckengassen durch endloses Weideland. Wie immer einige zu steile Rampen.
30 km über St. Clears nach Saundersfoot ohne einen Blick aufs Meer. Kurz vor Saundersfoot dann Abfahrt nach Amroth zur Küste. Hier beginnt der Pembrokeshire Coast National Park. In den weiten Sandstrand ragen in regelmäßigen Abständen marode Buhnen aus Holz. Diese Konstruktionen sollen verhindern dass zum Ufer parallele Strömungen den Strand abtragen.
Der angesteuerte Campingplatz kurz vor Saundersfoot ist ein Caravan Park. Zufällig auf den Platzwart treffen der uns zu einem Platz weiter außerhalb von Saundersfoot schicken will. Es ist schon spät, bei einem Campingplatz nahe Tenby anrufen und mühsam der Dame am Telefon Identität und Kreditkartendaten durchgeben. Es beginnt zu regnen.
Reinradln nach Saundersfoot. Nass und zittrig ins Delight Pizza And Kebab House setzen und eine 14 Inch Margarita verschlingen.
Es wird dunkel, im sprühnebelartigen Regen über einen letzten Hügel nach Tenby und nochmal ein Stück hoch zur Meadow Farm Campsite. Im finsteren umherschleichen auf der Suche nach einem guten Zeltplatz. Alle flachen Bereiche sind schon mit Campervans belegt. Auf einem zu schiefen Stück Wiese hudlig das Zelt aufstellen, duschen und gleich ins Zelt legen.
Am Morgen windig aber trocken. Nach grade mal 12 Stunden das Zelt wieder abbauen. Die in Burry Port abgeholten Pflaster auf die gerissene Zelthaut kleben. Sie wirken nicht wenig langlebig.
Der Warden am Platz spricht mit ausnahmslos jeder Person die ihm über dem Weg kommt. Ein Springer Spaniel mit traurigen blutunterlaufenen Augen folgt ihm überall hin. Taschen und Räder können wir bei ihm lassen. Federleicht runterspazieren nach Tenby.
Ebbe, der Strand von Tenby besonders breit. Über der Bucht reihen sich bunte Häuser im viktorianischen Stil. Auf der bummvollen High Street die vielen Souvenirshops nach Postkarten und einem Paar kesse Socken abklappern. Fehlanzeige, sonst gibts jeden Ramsch.
Lange Mittagspause im Greggs. Rausspazieren auf den Castle Hill und in das Bootshaus der Royal National Lifeboat Institution, eine Freiwilligenorganisation für Seenotrettung. Das riesige Rettungsboot hängt wie ein Ausstellungsstück blitzblank überm Wasser.
Nochmal quer durch den Ort zum riesigen Sainsbury’s an der Upper Park Road. Bei einem trashigen Fudge-Laden an der Ecke eine riesige Auswahl an Postkarten. Die am Sonntag frühere Sperrstunde vom Sainsbury’s im Nacken hektisch die gefühlt hundert Kartln durchschauen. Abendessen kaufen und zurück zum Campingplatz spazieren.
Alles noch da, aufsatteln und eine Dreiviertelstunde nach Maenorbŷr radln. Durch goldene Weizenfelder zum YHA auf einem Hügel direkt überm Meer. Wieder wohnt eine Schulklasse im Hostel.
Eine riesige Ladung Wäsche anschmeißen und am TV in der Lobby das Match England gegen Slowakei mitverfolgen. England gewinnt 2-1. Wäsche aufhängen und in den letzten Klamotten den steilen Weg runter zum Church Door Cove Beach.
Den Namen stiftet eine riesige Aushöhlung im Felsvorsprung der die Bucht zur Linken abgrenzt. Unsicher über die algenbedeckten Steine hin zum Durchgang tänzeln. Der Weg durch die Church Door ist überflutet.
Am andern Ende der Bucht führt eine schmale Kluft durch den Fels zum weitläufigen Skrinkle Haven Beach.
Den Strand abspazieren und eine finstere Höhle im Fels erkunden. Hinter einem Stein versteckt liegt ein abgewetzter Nike Fußball. Bissi kicken vor der unwirklichen Kulisse auf dem menschenleeren Strand.
Den Ball zurück in die Höhle treten und verschwitzt zurück durch die Felskluft klettern.
Noch jeweils ein Steinderl hinterlassen und wieder zum YHA hochschnaufen auf einen köstlichen Sunday Roast aus der Mikrowelle.
Der nächste Tag wieder kurzer Radlspaß von Maenorbŷr nach Pembroke. Runter zum Maenorbŷr Bay dann hoch auf die A4139 und eine halbe Stunde nach Pembroke.
An der Main Street eine Tasse Tee teilen und die Check-in Zeit abwarten. Kathi kämpft sich durch die Callcenter von Great Western Railway und Eurostar. Den Flitzer nach Wien zu befördern kostet viel Geld, Zeit und Nerven. Ich finde endlich ein Paar grünweiß gestreifte Socken mit Ddraig goch, wörtlich ‘der rote Drache’.
Losradln zur Unterkunft in Pembroke Dock. Ein Hügel trennt die beiden Nachbarorte. Zwischenstopp beim riesigen Tesco hinterm Bahnhof. Facetime koordiniert Fertiggerichte einkaufen.
Ein Reihenhaus mit pink gestrichener Tür, das gemütliche Zimmer im ersten Stock. In Abwesenheit der Gastgeber einen Riesenteller Pasta mit Pesto runterschlingen und gleich zurück nach Pembroke radln, das Pembroke Castle schließt schon um 6.
Die Bilderbuch-Ritterburg geht zurück ins 11. Jahrhundert.
Videoinstallationen in den sieben Rundtürmen erzählen vom Leben der prägendsten Burgherren über die gut 600 Jahre lange Geschichte der Burg.
1457 kommt Henry Tudor im Turm über dem Westtor zur Welt.
20 Jahre später besiegt er in der Schlacht von Bosworth König Richard III. und wird als Henry VII. zum einzigen walisischen König von England.
1648 zu Beginn des zweiten englischen Bürgerkriegs erobert Oliver Cromwell Pembroke Castle und ordnet seine Zerstörung an.
Pünktlich zum Anpfiff Frankreich - Belgien in den Pub The Royal George. Der Name steht in großen goldenen Lettern an der Fassade. Teppichboden und abgewetztes Mobiliar aus dunklem Holz.
Wie das Spiel endet beginnt der Regen. Sitzen bleiben und das nächste Spiel schauen, heimradln wie die Verlängerung beginnt. Der Horizont leuchtet rot, Krähenschwärme krächzen von den Dächern.
Nach fast dreieinhalb Monaten und 4.000 km die letzte Nacht zusammen. Am Morgen Abschied am Bahnhof von Pembroke Dock, Kathi rollt ihren Flitzer in den Zug nach Swansea. Für sie beginnt eine lange und umständliche Heimreise. Ich muss mich ab jetzt allein durchschlagen.