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Basecamp

Das Jahr 1761, ein Handelsschiff aus Santander am Heimweg von einer Reise in die amerikanischen Kolonien. Außergewöhnlich klares Wetter im Golf von Biskaya. Der Blick nach Süden, am Horizont die Umrisse einer schneebedeckten Bergkette.

Diese Gipfel oder Picos sind das erste Stück Europa das die Seefahrer auf ihrer Heimreise sehen. Man tauft sie die Picos de Europa.

Ist das der Ursprung des Namens dieses beeindruckenden Gebirgsmassivs? Höchstwahrscheinlich nicht. Der allergrößte Teil der Handelsschiffe legt im weit entfernten Cadiz, Lisboa oder A Coruña an. Trotzdem eine schöne Geschichte.

Von León zu den Picos

Am Weg raus aus León zum Decathlon. Die Kette diesmal tauschen vor sie Kassette und Kettenblätter ruiniert und deshalb eine Kettenlehre kaufen. Das Stück Stahl ist exakt gestanzt auf die Länge von 10 Kettengliedern. Drauflegen und schauen was passiert.

Fahrradketten längen sich mit der Zeit, durch Abrieb an den Stiften und Laschen der Gelenke entsteht Spiel. Eine zu lange Kette passt nicht mehr exakt auf die Zähne von Kassette und Kettenblatt, die Kraftübertragung verlagert sich auf die wenigen Auflagepunkte, Kassette und Kettenblatt nützen sich einseitig ab. Früher oder später rutscht die Kette unter Last über die Zähne, der Tritt ins Leere.

An meiner neuen Kette attestiert die Messlehre eine minimale Längung. Kathis Kette ist über-überlang, der gesamte Antrieb zum Wegschmeißen. Funktioniert.

Aus León draußen über den Río Torío und auf eine kleine Hochebene auf 900 m. Die Luft voller Flocken und am Boden Schnee aus Pappelwolle. Die Felder frisch gepflügt, der lehmig rötliche Boden in riesigen Klumpen. Der Blick zurück auf León fällt sofort auf die dominante Kathedrale. Am Horizont vor uns die Ausläufer der Cordillera Cantábrica.

Über Nebenstraßen zur CL-624 und fast kerzengrad 25 km bis Vegaquemada. Auf halbweg Mittagspause in Ambasaguas de Curueño auf der Wiese vor der romanischen Kirche. Der Ort ausgestorben, das Schnabelklackern des Storchs wie er aus seinem Nest am Kirchturm spechtelt.

Weiter auf der CL-624. In Vegaquemada nach Osten abbiegen und parallel zum Camino Olvidado 15 km nach Cistierna. Am Weg Viele kleine Orte in denen man nicht mal einen Kaffee bekommt.

Hinter dem kleinen Cistierna werden die Gipfel der Cordillera höher. Auf der Brücke über den Río Esla Blick auf die ersten schönen Karstformationen.

Einkaufen im Alimerka und zum Campingplatz Reino de Vadinia. Die Rezeption hat noch eine gute Stunde Siesta. Am unfeinen Bankerl bei der Tür sitzen und die Dauercamper beobachten.

Am angrenzenden Sportplatz rollt ein großer Lkw ein, den Schriftzug auf der Seitenplane schon mal wo gesehen. Das Plakat an der Tür der Campingbar nochmal genauer anschauen, heute Nacht um halb eins ein Livekonzert am Sportplatz.

Wie wir zampacken sperrt grad der Rezeptionist auf und entschuldigt sich für die Verspätung. Kein Problem!

In der Abendsonne über die Brücke zurück ans andere Esla-Ufer. Auf einer Schotterpiste dem Camino Vadiniense ein Stück nach Norden folgen. Ein kleines Wasserkraftwerk, dahinter zwei Kletterer am Fuß einer Steilwand.

Eine gehörnte Kuh poltert mit Schwung den Hang herunter und trottet selbstbewusst vor uns her. Nicht trauen sie zu überholen. Auf einer kleinen Weide am Fuß eines felsigen Hügels die vielen Disteln auszupfen und das Zelt aufschlagen. Die einsame Kuh beobachtet uns aus dem Gebüsch.

Schnell verschwindet die Sonne hinter dem Hügel.

Was machts ihr da?

In der Morgensonne frühstücken, neugierige Blicke von ein paar Spaziergängern.

Zampacken und ein paar Kilometer weiter dem Camino folgen bis zur nächsten Brücke über den Río Esla. Vorbei an Fabrikruinen direkt am Berghang. Eine Gruppe junger Leute spielt maskiert und mit kleinen Sturmgewehren bewaffnet Paintball. Früher wurde hier Steinkohle abgebaut und gewaschen, der Boden immer noch schwarz vom Kohlenstaub.

Zurück aufs andere Flussufer auf die N-621. 10 km sanft bergauf nach Crémenes. Auf einer Bank gegenüber der Kirche Mittagspause. Die Messe ist grad aus, eine Handvoll alter Menschen kommt ins Freie. Kaffee beim Restaurante El Sabinar.

Nochmal 10 km weiter zur Staumauer des Embalse de Riaño, die 1.000 Höhenmeter knacken. Verschnaufen vor der Straße über die Mauer. Eine endlose Kolonne Motorrädern zieht unter Motoraufheulen vorbei. Zum Vergnügen unnedig laut durch die Natur brettern, uncool.

Am Hang den Stausee entlang und über eine Brücke auf die Halbinsel von Riaño. Hässliche Hotels überragen den Ort. Genialer Blick über den Stausee auf die Las Pintas.

5 km weiter das wenig aussichtsreiche aber leistbare Boca de Huérgano. Eine Reihe Steinhäuser entlang der N-621, in einem davon unser bescheidenes Zimmer. Gaskocher am Fensterbrett, vorm Schlafengehen ein Glas Wein und Oliven im Tierra de la Reina. Ein ruhiger Abend, Seniorenstammtisch und Leichtathletik im TV.

Proviant besorgen im winzigen Supermarkt im Steinhaus nebenan. Weiter auf der N-621 immer sanft bergauf. Abbiegen auf eine Nebenstraße nach Portilla de la Reina.

Steiler bergauf zum Puerto de Pandetrave auf 1.566 m. Grandioses Panorama zweier Bergketten am südlichen Rand der Picos de Europa.

Kathi zeigt auf die Torre de Llordes (2.477 m)

Weiter auf einer Schotterpiste noch steiler bergauf mit noch besserem Blick auf die Steilwände.

Die letzten Höhenmeter zum Collado de Remoña fast zu steil zum Radln. Ein offensichtlich weit gereister Pilger erreicht gleichzeitig mit uns den Pass auf 1.789 m.

Viehauftrieb am Radl

Dahinter 700 Höhenmeter steil bergab nach Fuente De. Die Abfahrt nochmal ein Kraftakt, Steigungen über 10 % auf grobem losen Schotter. Mit vom Bremsen verkrampften Händen zum idyllischen Camping El Redondo.

Auf den Platz passen keine großen Wohnmobile, deswegen ist er voll mit kleinen. Modale Filter aus großen Steinen reservieren die Zeltwiese für Zelte. Vorm aufgeschlagenen Basecamp den Antrieb vom frisch gesammelten Staub befreien.

Am Abend in den ‘Ort’ spazieren. Fuente De besteht aus einer Seilbahn und zwei Hotels. Alles ausgestorben, dicke Wolken verdecken die Spitzen der eindrucksvollen Steilwand.

Die Bar am Campingplatz hat noch Winterpause. Um trotzdem ein bissi nach drinnen zu kommen auf ein Bier ins Hotel Rebeco. Die Chefin wirkt wenig begeistert, aber da keine Hotelgäste an der Bar sind, werden wir geduldet.

Zum Frühstück gesellt sich der zahme weiße Wolf des Campingplatzbetreibers. Unaufdringlich sitzt er hechelnd neben uns und lässt sich Kopf und Bauch kraulen.

Um 11 zur Talstation der Seilbahn. Der Ort wie verwandelt, die Parkplätze voll, lange Schlangen an Ticketschalter und Eingang. Zum Glück ein Ticket für die Fahrt um 11:30 am Vorabend online gekauft. Die Fahrt dauert keine vier Minuten, von 1.070 m auf 1.823 m.

Oben Karstlandschaft mit Restschneefeldern. Ein breiter Panoramaweg führt zwischen die Steilwände hinein. Menschen in Schlapfen, Menschen in knöchelhohen Wanderschuhen. Alpendohlen spechteln gierig auf die Krümel unserer Jause. Drei Adler segeln unter uns die Steilwand entlang.

Kaiserwetter, keine Wolke und kein Wind. Eine gute Stunde zwischen den Picos hochwandern. Ein kurzes Stück weglos auf einen Aussichtsfelsen klettern, die nicht abgewetzten Kalksteinfelsen wie Schmirgelpapier an den Händen. Den Dohlen ein paar Keksbrösel abgeben.

Am Nachmittag will alles wieder nach unten, die Schlange für die Talfahrt absurd lang. Auf der Terrasse der Bergstation sitzen und in die Ferne schauen, die beiden Gondeln der Seilbahn fahren ununterbrochen. Um vier schon wieder entspannter, die Gondel trotzdem voll. Eine dicke Dame presst mich mit ihrem Gesäß bündig an die Scheibe, ein Mann bekommt eine Panikattacke.

Am Campingplatz rasten im Schatten unseres kleinen Nussbaums. Der neue Nachbar ein Schwabe mit dickem Motorrad und Hilleberg Zelt. In der Abendsonne doppelt gebrochene Spaghetti kochen.

Camping ohne Sessel

Wieder ins Hotel Rebeco. Die Chefin lässt uns warten, dann die zwei Gläser Rotwein knallend auf den Tisch. Eigentlich sei die Bar nur für Hotelgäste. Der einzige andere Gast ist ihre freche Tochter, die am riesigen Flatscreen zu laut Cartoons schaut. Um 10 müssen wir unseren Tisch räumen, draußen wird es langsam dunkel.

Erst um eins Zähneputzen und nochmal den Platz verlassen. Die Sterne leider auch im stockfinsteren Wald nicht gut sichtbar, einige Wolken am Himmel. Misstrauische Blicke vom Platzwart wie wir uns wieder reinschleichen.

Vielleicht schon morgen erreichen wir wieder das Meer.


Kommentare (2)

Danke fürs gedankliche Dabeiseindürfen in schönen und weniger feinen Momenten. Wünsche euch zwei a gute, erfüllende Zeit!
Do brauchsch nit umermessn dei kettn denen sich und denen sich dei rizzl schleifn sich und schleifn sich 😄 gute weitertrete 🍀

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