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Bogs, Tors and bad weather

Von Plymouth nach Exeter

Tag der Abfahrt, am Morgen noch ein Schauer dann freundlicher. Trotzdem die Gewissheit heute nass zu werden. Abschied von Sarah, zurück nach Mutley und der B3214 bis zum River Plym folgen. Am schmalen Gehsteig der sechsspurigen Plymouth Road beginnt der Plym Valley Trail, der Radweg führt den Plym entlang ins Dartmoor.

Highway, Autobahnkreuz dann üppiger Mischwald und Vogelzwitschern. Die mächtigen Eichen Moos- und Efeu-überwuchert, jeder Fleck Waldboden bedeckt von dichtem Unterwuchs. Violetter Foxglove durchbricht das allgegenwärtige Grün.

Die Brücke über den Meavy der wenig flussabwärts in den Plym mündet. Auf der Straße stehen zwei zottelige Ponies. Es sind keine Dartmoor Ponys. Diese Ponys wurden in England wegen ihrer außergewöhnlich zähen Natur seit dem Mittelalter als Arbeitstiere eingesetzt, vor allem in Minen und Steinbrüchen. Heute leben etwa 800 von ihnen in halbwilden Herden im Moor.

Diese zwei sind wahrscheinlich Hill Ponies, Mischlinge. Trotzdem lieb.

Zwei zu steile Hänge hoch zum Burrator Reservoir, es beginnt zu tröpfeln. Der Stausee ist einer von vielen im Dartmoor die im 19. und 20. Jahrhundert gebaut werden um Plymouth und Umgebung mit Trinkwasser zu versorgen.

Der Burratordamm aus dem Jahr 1898

Auf einer kleinen Wiese gegenüber der Burrator Lodge Mittagspause. Ab und zu ein Sonnenstrahl durch die dunklen Wolken, dazu frischer Wind, nicht lange sitzen bleiben. Nochmal eine Straße steil bergauf, dann auf die holprige Granite & Gears Radroute wechseln. Der Radweg überquert die B3212 auf einer Brücke, lückenlos mit Stacheldraht abgesteckte Weidegrenzen blockieren eine Rückkehr auf die Straße. Also holprig den grasigen Pfad durch die endlosen Schafweiden. Ständig anhalten bei zu vielen Weidetoren.

Hoch auf gute 400 Meter zum King’s Tor. Starker Wind fegt über das offene Moorland. Die Räder hinlegen und über die spitzen Grasbüschel weglos zum Tor hochgehen.

Das Gestein im Dartmoor ist überwiegend Granit. Vor 60 bis 30 Millionen Jahren liegt England nahe dem Äquator, das Klima heiß und feucht. Von Verrottung säurehaltiges Wasser reagiert mit dem Feldspat im Granit und gräbt tiefe Furchen ins Gestein. Während der Eiszeit vor 2 Millionen bis 10.000 Jahren sprengt gefrierendes Wasser die geschwächte Granitstruktur.1

Ein zerfurchter Turm bleibt stehen, der Tor. Die Bruchstücke verstreut zu seinen Füßen, Clitter.

Weiterradln Richtung Princetown. Hinterm Tor liegt eine Herde zotteliger Rinder verstreut zwischen dem Clitter.

Der Pfad wird noch holpriger, froh ab Princetown wieder am Asphalt zu radln. Eine beachtliche Auswahl an Geschäften in dem verschlafenen Ort. Im Londis Minimarkt ein Tiegerl Marmite kaufen und das erste Mal bar zahlen.

Diesmal auf der Straße bleiben, immer die B3212 entlang 10 km nach Postbridge. Wie alle Straßen in England saueng, zum Glück wenig Verkehr. Der Wind hat zugelegt und bläst kräftig in den Rücken, die Jacke als Segel. Wunderbare Blicke über ein weites Tal mit durchnässtem Grund, Bog.

Wasserundurchlässiger Granitboden, hohe Regenmengen und Torfmoose. Mit ihrer besonderen Zellstruktur binden sie große Mengen Wasser. Im wassergesättigten und dadurch sauerstoffarmen Boden kann keine Verrottung mehr stattfinden.2 Über die Jahrhunderte sammelt sich totes Moos zu einer immer dickeren Schicht Torf bzw. Peat.

In Postbridge hinter der Brücke über den East Dart River stehen bleiben. Anhalten auf der Brücke nicht möglich, wie so auf oft verengt sich der Highway an den urigen Steinbrücken auf eine Spur. Parallel zur urigen Straßenbrücke führt eine noch viel urigere Fußgängerbrücke über den Fluss, die Clapper Bridge. Drei riesige Granitplatten liegen als Träger auf geschichteten Granitblöcken als Pfeiler. Auf der Clapper Bridge sitzen und ins Bacherl schauen, der Torf färbt das Wasser colabraun.

Weiterradln wie es wieder zu regnen beginnt. Diesmal hört es nicht mehr auf, 5 km weiter durchnässt in die Warren House Inn flüchten. Bei two cups of tea auf Wetterbesserung warten.

Wenn die Kreuzworträtsel ausgehen

Um 6 aufgeben, raus in den Nieselregen. Im Dartmoor ist Wildcamping in gewissen Zonen erlaubt. Eine solche Zone direkt hinter der Inn am Water Hill. Die vollbepackten Räder 50 Höhenmeter einen steilen Erdweg hochschieben. Im stürmischen Wind hektisch das Zelt aufstellen. Ein heftiger Regenschauer kommt eine Minute zu früh, patschnass ins Zelt schlüpfen.

Na dann, schlaf gut!

Der Wind bläst die ganze Nacht durch. In den frühen Morgenstunden vom lauten Flattern der Zelthaut geweckt werden. Der Wind legt noch zu und jagt Regenwolken über die weite Ebene. Im 10 Minuten Takt wechseln Sonne und Schauer, frühstücken im Zelt und auf besseres Wetter warten.

Eine längere sonnige Phase, aus dem Zelt schlüpfen und schnell zampacken. Bei den letzten Handgriffen schon wieder Regen, bis zum Losfahren waschlnass.

Kein Zeitraffer

Mit Rückenwind bergab in Rekordzeit die 10 km nach Moretonhampstead brettern. Auf ein Bankerl an der Verzweigung New Street und George Street setzen und sich vom strahlenden Sonnenschein trocknen lassen.

Reges Treiben in dem lebendigen Ort. Durch die Straßen rollen Radler:innen in vollem Dress. Zwei im Pensionsalter mit Rose Rennrädern und Klickschuhen kommen wie sie uns sehen gleich her und fragen wo wir herkommen. Die beiden leidenschaftlichen Radtouris legen uns Warmshowers ans Herz und wollten gleich zu sich einladen, wir aber haben schon ein Airbnb in Exeter.

Einen Snack vom Co-op und auf einen Sprung zur St Andrew’s Church. In der Kirche große Tische mit weißen Tischdecken, Leute trinken Tee und essen Kuchen.

Hügelig die letzten 20 km ohne Stopp nach Exeter. Die Straßen wie gewohnt saueng zwischen meterhochen dichten Heckenmauern. Die Jacke anbehalten, am Weg noch zwei kleine Regenschauer.

Der Gastgeber in Exeter fährt übers Wochenende weg, aus dem Zimmer wird eine Wohnung. Es stinkt nach Zigarettenrauch und braucht dringend eine Grundreinigung, dafür viel Platz um Schlafsack und Zelt zum Trocknen auszubreiten. Daheimbleiben und die Wunden lecken.

Exeter

Am nächsten Tag besseres Wetter. Ins Zentrum zur High Street und alle Outdoorshops abklappern. Die Zelthaut hat im Wind einen Riss erlitten und braucht ein Pflaster. Nirgends gibts Patches die auf der Haut aus Silnylon haften. Trost suchen beim Mäcci.

Eine Straße weiter die mächtige gotische Kathedrale von Exeter. Rundherum das Cathedral Green, eine weite Liegewiese. Das Wetter lädt noch nicht ganz zum Verweilen ein.

Drinnen dank der großen Buntglasfenster herrliches Licht. Die Rippen des Gewölbes treten besonders deutlich hervor und gehen an den Seitenschiffen fließend in die massiven Säulen über. Das längste ununterbrochene Steingewölbe der Welt erstreckt sich 100 Meter vom Eingang zum Hochaltar. Ein kleines Spiegelwagerl erlaubt die halsverrenkungsfreie Betrachtung der prächtigen Schlusssteine.

Ein wunderbar gesprochener Audioguide führt durch die Kathedrale. An der Nordseite des Querschiffs zeigt eine astronomische Uhr aus dem 15. Jahrhundert Zeit und Mondphase. Der mit Tierfett geschmierte Mechanismus zieht Nagetiere an weshalb man im frühen 17. Jahrhundert in die massive Holztür unter der Uhr ein Loch für die Katze des Bischofs schneidet. Die älteste Katzentür der Welt?

Wieder draußen, inzwischen lebhaftes Treiben am Cathedral Green und in den Lokalen ringsum. Über die High Street zum nahen Sainsbury’s. Mit Kühlthekensandwich und Flapjacks aufs Cathedral Green setzen. Im Gespräch abgelenkt stürzt sich eine Möwe im Flug auf das Sandwich und entreißt es mir beinahe. Nervös und von Möwen umzingelt den Rest essen.

Am nördlichen Ende der High Street zu den Underground Passages. Im 14. Jahrhundert legt die Stadt Tunnel an um Frischwasser ins Stadtzentrum zu befördern. Das Wasser fließt durch Bleirohre, die Tunnel ermöglichen lediglich den Zugang zu den ständig wartungsbedürftigen Leitungen. Gebückt durch die feuchten beengenden Tunnel, der Plastikhelm dringend notwendig. In der Knappheit der 40er Jahre werden die gesamten Bleirohre aus den gesperrten Tunneln gestohlen und eingeschmolzen. Ein Rohrstück überlebt in einem Museum.

Am Heimweg vorbei an der Parliament Street. Auf der Bronzeplakette an der Häuserwand rechts vom Eingang:

BELIEVED TO BE
THE NARROWEST STREET
IN THE WORLD
WIDTH 25” INCREASING TO 45”

Das geht sich aus

Um halb 9 nochmal raus, England spielt gegen Serbien, in UK-Zeit der Anpfiff schon um 8. Im Erdgeschoss des Revolution Pub an der Queen Street tote Hose. Von oben dringen laute Gröler, eine Horde junger Männer mit Undercut verfolgt das Match. Unter spontanen Stadiongesängen im Pub gewinnt England 1-0, das Tor fällt vor wir zuschauen.



Kommentare (2)

Uiuiui, immer Regenschirm parat, beim Radlen logisch nit so toll, wären diese "Konzert-Mäntel-Nylon-Sacklen" bei diesen Wetterturbulenzen nicht praktisch, halten bei Wind sogar bissl warm. Sattes Grün, wunderschöne Landschaft, reichlich Kultur, nette Begegnungen mit Tier u Mensch,... entschädigen offensichtlich! Umarmung außer Ferne🤗
Beim lesn immer wieder lust jetzt dort zu sein und dr wieser macht sich bemerkbar 😄🍀🐖🌻🤗

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