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Granada

Im Jahr 1860 in Camprodon, einem kleinen Ort in Katalonien, kommt Isaac Albéniz zur Welt. Im Laufe seines Lebens wird er zu einem der bedeutendsten Komponisten Spaniens. Mit 27 komponiert er die Suite Española, 8 Stücke für Solo Piano. Jedes Stück trägt den Namen einer Region Spaniens und ist in einem für die Region charakteristischen Stil komponiert.

Die traditionellen Tänze und Musik Spaniens sind untrennbar mit der Gitarre verbunden und die Werke der Suite Española lehnen an diese Traditionen an. Schon bald nach ihrer Veröffentlichung werden Teile der Suite für die Gitarre transkribiert. Heute sind diese Transkriptionen bekannter als die Originalversionen für Piano.

Das erste Werk der Suite, Granada ist eine Serenade. Hier aufgeführt vom britischen Gitarristen und Lautenisten Julian Bream:

Von Almería nach Granada

Nach Almería verlassen wir die Küste und radln ins Hinterland. Auf der Schnellstraße N-340A an einem Steilhang über dem Meer entlang raus der Stadt nach Westen. Durch mehrere Tunnel, dann auf einer kerzengraden Straße durch einige kleine Orte. Man sieht nichts von den riesigen Gewächshausflächen die am Rand dieser Ortschaften beginnen. Kurz nach La Gangosa rechts abbiegen auf eine kleine Straße nach Vicar. Schnell inmitten von Gewächshäusern, drei kleine Melanzani vom Straßenrand retten.

Unter der A-7 durch und immer den Berg hoch. Wir starten heute bei 0 und müssen hoch auf knapp über 1.000 Meter. Die Straße schlängelt sich, die Steigung angenehm, praktisch keine Autos. Pause beim Mirador del Amor auf fast 500 Meter. Unterm Meereshorizont erstrecken sich weite Flächen weiß. Die Gewächshäuser im Gebiet um Almería belegen gut 400 Quadratkilometer. 3.5 Tonnen Obst und Gemüse werden hier in einer der trockensten Gegenden Europa jedes Jahr angebaut.1

Stürmischer, eiskalter Wind vom Hang herunter. Die Pause kurz halten, von Sandalen in Socken und Schuhe wechseln. Zügig die letzten Höhenmeter hoch zum Collado de Retamar. Zurück auf der Landstraße, viel Verkehr auf der zweiten Hälfte des Anstiegs durch die Sierra de Gádor.

Wenn Tourenradler:innen Rennradler:innen sein wollen

Oben weiter Blick auf die niedrigen östlichen Ausläufer der Sierra Nevada und das Desierto de Tabernas.

Das Gebiet, nach klimatischen und vegetationskundlichen Kriterien eine Halbwüste, besteht aus einem ausgedehnten Komplex von durch Erosionsrinnen zerschnittener Hügel, nach dem englischen Fachbegriff auch als Badlands bezeichnet. Es ist die am stärksten aride Region auf dem europäischen Kontinent. Im Gebiet leben, trotz des auf den ersten Blick lebensfeindlichen Eindrucks, zahlreiche seltene und bestandsbedrohte Tier- und Pflanzenarten, darunter einige lokale Endemiten, die nur hier vorkommen.2

Badlands zur Rechten

In Alhama de Almería wohnen wir eine Nacht. Al-ḥamma bedeutet im Arabischen ‘heiße Quelle’. Auch heute noch gibt es im Ort ein Hotel mit Thermalbad. Unsere Unterkunft ist bescheidener. Im Bett liegen Fernschauen und die müden Glieder schonen.

Am nächsten Morgen entspannt starten, heute wildcampen also lieber spät ankommen. Die Luft ist kühl aber in der Sonne treibt jeder kleine Hügel den Schweiß. Rechts wird die Sierra Nevada langsam höher, die höchsten Erhebungen werden wir aber erst morgen sehen.

Das Wort Sierra stammt vom lateinischen serra - ‘Säge’. Im Spanischen bedeutet Sierra auch Bergkette, die Silhouette der Gipfel erinnert an eine Säge. Nevada bedeutet ‘schneebedeckt’.

Erster Stop im kleinen Canjáyar. Zwischen Kirche und Rathaus auf der Plaza de la Constitución mittagessen. Die Kirche versteckt über einem riesigen Gazebo das den Platz überdacht. Am Boden liegt Müll, vor Kurzem gab es hier ein Fest. Kaffee in der Bar Mi Apolo. Kette ölen in der Stille des frühen Nachmittags, ab und zu unterbrochen von schmutzigen Lachern am Nachbarstisch.

Canjáyar

Weiter bis Fondón, immer leicht bergauf. Wir sind fast wieder auf 1.000 Meter. In der Ferne die ersten schneebedeckten Gipfel der Sierra. Snackpause beim Mirador de la Paz. Auf Keramiktafeln die Geschichte des Orts, ein ehemaliges Bleibergwerk.

Immer wieder Brücken über Flüsse die kein Wasser führen. Tiefe, überwucherte Flussbetten und ausgetrocknete, steile Hänge. Wo sollen wir hier ein Zelt aufschlagen?

Langsam ändert sich die Landschaft, zwischen den Trockenhängen immer öfter Weinreben und sogar Wiesen. Wir nähern uns dem westlichen Teil der Alpujarra, die Region die sich über den Südhang der Sierra erstreckt. Der westliche Teil Richtung Granada ist dank unzähliger Quellen und Bewässerungskanäle sichtbar fruchtbarer als der östliche, trockene Teil in Richtung Almería.

In Láujar de Andarax ein Regenguss. Eine Menschentraube steht schon gedrängt unter den Arkaden des Rathauses. Wir stellen uns dazu, ein alter Mann klopft mir auf die Schulter und sagt etwas auf Spanisch. Ich verstehe nicht, grinse und nicke. Bald scheint wieder die Sonne. Wasser auffüllen beim barocken Brunnen aus dem 17. Jahrhundert.

Bei Ugíjar die Landstraße verlassen, auf der Suche nach einem Platz für die Nacht. Von der Nebenstraße auf einen kleinen, staubigen Hügel. Kleine Thymian- und Rosmarinstauden ausreißen, der Boden trotzdem spürbar bucklig. Hinterm nächsten Hügel eine kleine Schafherde, Hirte und Hund. Zelt aufbauen in der Abendsonne, der Boden diesmal gnädig.

Aftermath des gescheiterten Zeltaufbaus an der Küste vor Almería
Kathi kocht

In der Nacht kühlt es ab auf 5 Grad. Am Morgen bewölkt, warten auf Frühstückssonne zwecklos, zusammenpacken und losfahren. Eine Stunde bergauf, schon leicht zittrig den Gaskocher auspacken, Kaffee am Straßenrand.

Das Warten hat sich gelohnt

Noch eine Stunde auf die 1.000 Meter hoch, runterollen nach Cádiar. Proviant aufstocken und das zweite Frühstück beim bummvollen El Rincón de Frade, dunkel getoastetes Pan con tomate. Hinter Cádiar Intervalltraining: endlose Rampen mit absurden Steigungen, alle 50 Meter Atem schöpfen. Die 1.000 Meter einmal geknackt wunderschön aussichtsreich den Hang entlang durch winzige Ortschaften.

Vorbei an einer Era, einem ehemaligen Dreschplatz. Diese gepflasterten Plätze befinden sich stets an windexponierten Stellen. Nach dem Dreschen wirft man das Stroh-, Spreu- und Korngemisch in die Luft, der Wind weht die leichten Bestandteile davon, das Korn landet am Boden.

Ein letztes Mal zermürbend steil nach Juviles. Mit den Kräften langsam am Ende auf hölzernen Sonnenliegen vorm Ort rasten und Bizcocho de limón futtern.

Die letzten 200 Höhenmeter nach Trevélez sanft verteilt auf aussichtsreiche 12 Kilometer. Auf 1.476 Metern ist Trevélez der höchste Ort Spaniens. Direkt über dem absurd steilen Ort thront der mit 3.482 Metern höchste Gipfel der Sierra, der Mulhacén. Bei unserer Ankunft hüllt er sich in Wolken.

In Trevélez trifft man überall auf Schinken

Trevélez ist bekannt für seinen Jámon, luftgetrockneter Schinken. Die klimatischen Bedingungen für die Lufttrocknung sind hier besonders günstig. Man ist stolz auf seine Schinken, der ganze Ort ist dekoriert mit Statuen von Schinken und lächelnden Schweinen. Es gibt mehr Schinkenverkaufsstellen als Cafés, Restaurants und Supermärkte zusammen.

Auch der Dorfbrunnen

Der Camping Trevélez liegt 10 Radminuten über dem Ort. Auf 1.560 Meter der höchste Campingplatz Spaniens. Wenige und aussichtsreiche Stellplätze auf einem in Terrassen gegliederten Steilhang. Ein roter Kater treibt sich überall herum und versucht jeden Abend in unser Zelt zu kriechen.

Wirklich überall

Am Abend in den Ort radln, die absurd steilen Gasse zum Supermarkt hochwandern. Anschließend im El Goterón eine sehr käsige Pizza essen. Das Lokal ist bummvoll, obwohl wir erst wenige Stunden in Trevélez sind sehen wir einige bekannte Gesichter. Hier leben nur etwa 700 Menschen.

Den Mulhacén im Westen und Ausläufer der Sierra im Osten, in Trevélez geht die Sonne früh unter und spät auf. Erst um 9 ist es warm genug um aus dem Schlafsack zu kriechen. In der warmen Morgensonne bei 10 Grad frühstücken oben ohne. Kein Wolkenschleier mehr vorm Mulhacén, perfekte Bedingungen für eine Wanderung auf die gegenüberliegenden Gipfel. Nochmal hinab ins Dorf rollen und hochwandern auf den 2.533 Meter hohen Peña de los Papos.

Sind wir noch am Weg?

Der Weg nicht immer leicht zu finden, bis auf ein paar Steinmandln keine Markierungen. Ein paar freilaufende Kühe, sonst ist hier niemand unterwegs. Bei einem Bach auf fast 2.000 Meter die Wasserflasche auffüllen. Das Wasser schmeckt nach Kuh, lieber Durst als Durchfall. Am Gipfel freier Blick auf den schneebefleckten Mulhacén und den benachbarten La Alcazaba. Richtung Südosten 60 Kilometer zurückblicken auf die Gewächshäuser von Almería. Über uns kreist ein großer Greifvogel. Es ist windig und trotz Sonne eiskalt, am gleichen Weg zurück.

Die Sierra ist weniger spektakulär als die Höhe ihrer Gipfel vermuten lässt. Kaum nackter Fels, keine steilen Abgründe, nur die Schneefelder bringen etwas Abwechslung in die dunkelbraune Masse.

Am Camping endlich den x-mal geflickten Schlauch wechseln und batzenweise Öl-Dreck-Metallstaub-Gemisch aus den Ritzeln kratzen. Ein Alhambra in der Campingbar zum Abschied.

Der Weg nach Granada ist noch weit und wir kommen erst gegen 11 los. Gute 1.000 Höhenmeter Abfahrt bis Órgiva. Geniale Ausblicke an jeder Kehre. An den steilen Hängen immer wieder kleine, weiße Bergdörfer. Keines so hoch gelegen wie Trevélez.

Capileira liegt auf 1.436 Meter

In Órgiva wird der Westwind stürmisch. Auf einer Bank vor der Kirche Mittagessen. Ins Casa Santiago auf einen Kaffee um aus dem zu Wind kommen. Auf den Straßen viele Hippies, außerhalb des Ortes befindet sich die Komune Beneficio. Die letzten 50 Kilometer nach Granada wenig spannend, Gegenwind und wieder bergauf. Zur Belohnung in Granada direkt auf einen vegetarischen Whopper.

Wohnen in der Pensión Matilde. Räder und Taschen in den dritten Stock tragen, im Zimmer bleibt nur der eine Schritt ins winzige Bad frei. Das einzige kleine Fenster geht auf einen abgedunkelten Balkon wo Gastherme und Waschmaschine stehen.

Granada

Zwei strenge südamerikanische Frauen servieren Frühstück im komplett abgedunkelten Speisezimmer der Pension, Café con leche y pan con tomate. Einen halben Tag herumspazieren, dann erschöpft auf der Plaza Nueva beim Nemrut Kebab eine fettige Pizza essen und Menschen beobachten.

In der Pastelería Lopez-Mesquita zwei Piononos de Santa Fe, in Sirup getränkte Biskuitröllchen mit einer Haube aus Vanillecreme

Granada ist wunderschön und der Tourismusdruck noch erträglich. Um die weltberühmte Alhambra zu besichtigen, Tickets mindestens einen Monat im Voraus kaufen. Wir sehen sie nur von außen am Mirador de San Nicolás, zusammen mit vielen, vielen anderen. Im Hintergrund der tiefwinterliche Nordhang der Sierra.

Viel netter der Spaziergang hoch durch das Stadtviertel Albaicín. Steile, verwinkelte Gassen zwischen weiß gekalkten Häusern mit Ornamentik im Nasrid-Stil. Die Gassen gepflastert mit kleinen schwarz-weißen Kieselsteinen in ständig wechselnden Mustern.

Geräuschkulisse in Albaicín

Am Heimweg eine Gaskartusche kaufen und zu vegan-käsiglastige Tapas essen im El Ojú. Mit vollem Bauch im Zimmer einen Film schauen und die Route für Morgen planen.

Es ist Regen angesagt.



Kommentare (1)

Bewundernswerte Mischung zwischen Stadt Dorf Berg Einöde ja sogar Wüste, zwischen völliger Abgeschiedenheit und menschlichem Trubel mit "internationalem Flair" mit unverkennbarem Pappbecher 😂 noch bewundernswerter eure sportliche Leistung!!! Wünsche weiterhin wunderschöne Momente

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